Freudes Logik

von Arie Hartog


Das Handwerk verschwindet. Das gilt auch für die Bildhauerei. Computergesteuerte Fräsen übernehmen heute die Arbeit und Cad-Programme wachen darüber, dass den Menschen nichts einfällt, was die Maschine nicht liefern kann. So entsteht ein letztendlich von Algorithmen bestimmter Kreis und da das Programm endlose Variationsmöglichkeiten
vortäuscht, wird die Illusion von Freiheit aufrechterhalten. Hochglanz schaffen Maschinen sowieso besser und das Resultat bezeichnet, entsprechend dem heute gängigen Kunstbegriff „teuer“ und nicht mehr im anthropologischen Sinne „wurde von einem Menschen gemacht“.
Dabei wissen wir von jeder Geburtstagsfeier, dass „selbstgemacht“ andere Synapsen aktiviert als „selbstgekauft“.


Das alles wurde schon oft diagnostiziert, aber was tun? Anstelle eines weinerlichen konservativen Beharrens auf alte Methoden und ein Erinnern daran, dass es früher besser war, setzt Tobias Freude auf eine lustvoll gleichzeitig brachiale wie konzeptuelle Bejahung des analogen Lebens (Handwerk ist dann nicht mehr als ein Aspekt): Eingerieben mit
Steinstaub toben nackte Körper durch einen Steinbruch, irgendwo zwischen „Mad Max“ und den „Flintstones“ und sollte man diesen Menschen begegnen, wird die Frage sicher nicht, die nach dem Kunstbegriff sein.


Seine Skulpturen entstammen einer vergleichbaren Haltung: „frage nicht warum“. Sie machen sichtbar, dass der Künstler sich jenseits der (Selbst-)Inszenierung selbstbewusst in drei Debatten zur Skulptur positioniert. Die erste betrifft die Beziehung zwischen Material
und Entwurf. Während die heute digital daherkommende akademische Tradition die Idee betont (als das einzige, woran der Celebrity-Künstler vielleicht noch beteiligt war), sind gefundene Steine Freudes Ausgangspunkt, die über die endgültige Form mitbestimmen.
Wenn er historisches Baumaterial benutzt, dann auch, weil da Erinnerung drinsteckt. Die Zweite ist die der Differenz zwischen Skulptur als die Kunst des Wegschlagens und Plastik als die des Hinzufügens. Er arbeitet plastisch mit Steinen, dem skulpturalen Material schlechthin und zeigt so seine tiefe Abneigung von steinbildhauerischen Fundamentalismen. Die dritte Diskussion ist die, ob ein Künstler autonom arbeitet, oder auf eine Situation reagiert. Und während die meisten Steinbildhauer auf ihre Autonomie beharren, antwortet Freude mit handwerklicher Könnerschaft, konzeptueller Schärfe und ironischer Distanz auf die Bedingungen der Welt. Daraus erklärt sich dann in der nächsten Stufe die visuelle Bandbreite
seines Werks.

Freudes Kunst zwischen Aktion und Skulptur wird von einer sichtbaren Distanz zu allen Vorstellungen von Effektivität bestimmt. Einen Spruch in Stein auszuschlagen und dann die einzelnen Schriftzeichen nur als Teil dieses einen Satzes zu nutzen, ist wie eine radikale Leugnung der Erfindung Gutenbergs. Die Buchstaben sind nicht Teil eines Setzkastens, mit
dem sich unterschiedliche Aphorismen bilden lassen, sondern Teil eines einzigen Satzes, der dem Bildhauer offensichtlich so wichtig ist, dass er sie aus Stein geschlagen hat. Der Satz bestimmt die Reihenfolge, die dann aber quasi, wenn es die Situation erfordert, überall hingelegt werden kann. Indem Freude in seinen Sprachbildern Popkultur („Them Belly Full“),
existenzielle Fragen und Absurdes („Safety First/Thirst“) verbindet, verneigt er sich als Bildhauer, mit den Mitteln des Handwerks für das Graffiti, das in allem der Gegensatz zu seiner Steinskulptur zu sein scheint. Auch diese Setzung sagt: „Frage nicht nach Wirtschaftlichkeit“, sondern lenkt alle Aufmerksamkeit darauf, dass es ein Mensch (gar ein Künstler) war, der hier Spuren hinterlassen hat.